Sonntag, 26. September 2010

Ent-täuschung

Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass Enttäuschung immer etwas mit unseren Erwartungen zu tun hat? Wir erwarten mehr oder etwas anderes und wenn wir das nicht bekommen oder etwas anderes eintritt, sind wir enttäuscht.

Vielleicht kennen Sie auch das Wortspiel mit dem Begriff "Enttäuschung"? Nämlich das in der Ent-Täuschung ein Ende der Täuschung gesehen werden kann? Dass wir uns also schlicht und einfach über den Verlauf einer Sache geirrt haben und nun eben mit den geänderten Gegebenheiten klarkommen müssen.

Mir hilft dieses kleine Wortspiel sehr dabei, das Gefühl einer Enttäuschung nicht zu stark werden zu lassen. Es rückt alles ein bisschen mehr in angemessene Relationen: Nur weil ich etwas erwarte, ist damit ja keine Garantie verbunden, dass etwas so eintritt oder geschieht, wie ich es will. Und genau das machen wir uns oft nicht klar.

Wenn wir etwas erwarten, dann haben wir das Gefühl, ein Recht auf eine Sache zu haben. Aber ist das wirklich so? Manche unserer Erwartungen basieren auf Versprechen anderer – aus denen könnte man ein gewisses Recht auf Einhaltung ableiten (das uns aber letztlich auch nicht viel nützt, wenn das Versprechen eben doch nicht eingehalten wird).

Wenn wir aber mal ehrlich sind, leiten sich viele unserer Erwartungen nicht wirklich aus klaren Zusagen anderer ab, sondern wir entwickeln sie einfach so. Vielleicht aus Gewohnheit, vielleicht aus dem, was "üblich ist" oder – und das ist besonders perfide – aus unserem eigenen Verhalten heraus. Ganz nach dem Motto: "Ich mach das so, also musst du das auch so machen." Das ist natürlich nicht fair, denn die Personen, an die wir dann unsere von uns selbst abgeleiteten Erwartungen stellen, haben oft nicht einmal eine Ahnung von dem, was wir von ihnen wollen. Aber wir reagieren dann dennoch sauer, wenn sie die unsere (eben oft nicht einmal formulierten Erwartungen) nicht erfüllen.

Kommen wir zurück zu dem Zitat, denn da stecken für mich zwei Aspekte zum Thema Enttäuschung drin:

  • Einmal eben der aufgezeigte Punkt, dass unsere zerstörten Hoffnungen sehr viel mit unseren Erwartungen zu tun haben, es also sinnvoll ist, hier einmal selbstkritisch zu schauen, wie gerechtfertigt unsere Erwartungen überhaupt sind.
  • Und zum anderen tatsächlich die Fokusverschiebung von dem, was wir nun nicht haben (oder bekommen oder erleben können) hin dazu, dass wir im Vorfeld durchaus positive Gefühle hatten! Die wischen wir mit dem Vorwurf der Enttäuschung vollkommen vom Tisch – und das macht das Gefühl der Enttäuschung gleich doppelt heftig.

Vielleicht nehmen Sie das Zitat einfach einmal mit in Ihren Alltag und schauen, wie sich zukünftige Enttäuschungen anfühlen, wenn Sie ein bisschen mit den Zeilen von Marie von Ebner-Eschenbach spielen.