Mittwoch, 26. Januar 2011

Burnout: Diagnostik derzeit unklar

Neuer HTA-Bericht im Auftrag des BMG zeigt enormen Forschungsbedarf auf.

Nach Schätzungen der Betriebskrankenkassen leiden rund neun Millionen Deutsche am sogenannten Burnout-Syndrom. Bislang fehlt jedoch eine einheitliche Definition, was derartige epidemiologische Schätzungen erschwert. Weder die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) noch das Diagnostische und Statistische Handbuch psychischer Störungen (DSM-IV) führen Burnout als eigenständiges Krankheitsbild. Trotzdem wird die Diagnose anhand bestimmter Symptome gestellt und behandelt, oft auch unter anderem Namen, beispielsweise als Depression. Gegenwärtig liegt es im ärztlichen Ermessen, ein Burnout-Syndrom zu diagnostizieren und entsprechend zu behandeln.

Bislang gilt Burnout in Medizin und Wissenschaft als eine Erkrankung, die mit sich verändernden Lebens- und Arbeitsbedingungen in Zusammenhang gebracht wird. Sie äußert sich unter anderem durch emotionale Erschöpfung, Selbstentfremdung oder Zynismus und eine verminderte Leistungsfähigkeit. Betroffene leiden im fortgeschrittenen Stadium dauerhaft an seelischen und körperlichen Beschwerden. Dieser Zustand ist hauptsächlich durch Erschöpfung gekennzeichnet. Begleitsymptome sind Unruhe, Anspannung, gesunkene Motivation und reduzierte Arbeitsleistung. Die psychische Störung entwickelt sich nach und nach, bleibt von den Betroffenen selbst oft lange unbemerkt.

Unter Burnout leiden die Erkrankten erheblich. Die Folgen sind über die gesundheitlichen Probleme hinaus beträchtlich - sowohl individuell als auch gesellschaftlich und volkswirtschaftlich. In den letzten Jahren haben die Verschreibung von Psychopharmaka und die Zahl von Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund psychischer Erkrankungen deutlich zugenommen.

Wie das Burnout-Syndrom von anderen Erkrankungen unterschieden wird, haben jetzt die Wissenschaftler Dr. Dieter Korczak, Christine Kister und Beate Huber im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) anhand der vorliegenden Studienliteratur untersucht. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen fassen sie in einem HTA-Bericht (Health Technology Assessment) zusammen.

Es bestehen mehrere wissenschaftliche Theorien über Ursachen und Krankheitsverlauf des Burnout-Syndroms. Die Symptome können sehr unterschiedlich sein und sind zudem schwer messbar. Darüber hinaus sind viele Zusammenhänge ungeklärt. So ist wenig über die psychischen Mechanismen bekannt, die den Symptomen zugrunde liegen. Gleiches gilt für Zusammenhänge mit anderen Krankheitsbildern wie der Depression. Die teils erheblichen sozialen Folgen für Burnout-Betroffene und die Auswirkungen auf ihr Umfeld (z. B. Kollegen, Familie) sind ebenfalls wenig untersucht. Deshalb fordern die Autoren hochwertige Studien, um das Burnout-Syndrom näher zu erforschen. (tw)

Weitere Informationen (148 Seiten):
http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta278_bericht_de.pdf

Samstag, 22. Januar 2011

Fast ein Drittel entsorgt miese Bewerbungen

Fehlerhafte Anschreiben regen Personaler ziemlich auf

Austauschbare, unmotivierte Anschreiben in mangelnder Qualität, dem Anlass nicht entsprechende Privatfotos, Unstimmigkeiten im Lebenslauf und umfangreiche Konvolute im Ausmaß von 20 MB - solcherart Bewerbung für einen neuen Job gehört offenbar noch immer nicht in die Vergangenheit, ächzen Personalberater immer wieder - wie jüngst die Grazer top-jobs-europe, die solche Fehler zum Anlass für eine Umfrage unter 900 Unternehmen in Österreich genommen hat und wissen wollte, wie man sich Bewerbungen wünscht. Zwei Drittel wollen per E-Mail kontaktiert werden, ein Fünftel will, dass das firmeneigene Online-System verwendet wird.

Europass muss nicht sein

Genormte Europass-Bewerbungen sind umstritten - 45 Prozent der weiblichen Personalentscheider sind neutral, 25 Prozent finden die genormte Form schlecht, aber nur knapp 18 Prozent der männlichen Personalentscheider lehnen Europass ab. Fotos werden überwiegend als wichtig erachtet, 75 Prozent finden klaren Bezug zur ausgeschriebenen Position und individuelles Anschreiben sehr wichtig.

Mehr als 30 Prozent geben an, fehlerhafte Bewerbungen (falsche Anrede, Grammatikfehler, Tippfehler, falsche Position) sofort zu verwerfen, 41 Prozent ignorieren Fehler, und 28 Prozent sagen, dass sie die Fehler in ihrer Antwort rückmelden.

(red, DER STANDARD, Printausgabe, 22./23.1.2011)

Dienstag, 18. Januar 2011

Wenn der psychische Schmerz siegt

Mehr als 90 Prozent der Suizide geschehen im Verlauf einer psychischen Erkrankung - der Leidensdruck treibt Menschen unfreiwillig in den Tod - Es gibt aber Hilfe

In Österreich nehmen sich jährlich fast 1.300 Menschen das Leben, wobei die Zahl seit 1987 kontinuierlich sinkt. In den allermeisten Fällen sind es psychische Erkrankungen die dazu führen, dass der Suizid als letzter Ausweg gesehen wird. "Ein Mensch, der sich psychisch und körperlich gesund fühlt und einigermaßen sozial eingebettet ist, nimmt sich nicht das Leben", erklärt Reinhold Fartacek, Ärztlicher Direktor und Leiter des Sonderauftrages Suizidprävention an der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg.

Völlig negative Weltsicht

Schwere psychische Leiden wie Depression, Schizophrenie, Substanzabhängigkeit oder Persönlichkeitsstörungen sind sogar in mehr als 90 Prozent der Fälle die Basis für einen Suizid. Die häufigste Form einer solchen Erkrankung ist die Depression. "Sie ist von einer völlig negativen Weltsicht geprägt", erklärt Fartacek. "Gesunde Menschen können abwägen, was für oder gegen eine Sache spricht. Genau dazu ist ein depressiver Mensch nicht in der Lage, er kann nur noch die negativen Perspektiven sehen." Damit verbunden entsteht letztendlich auch der Eindruck, nie wieder gesund werden zu können, weder durch antidepressive Medikamente noch durch Psychotherapie. Diese Sinnlosigkeitsgedanken können bei depressiven Menschen zu der Überlegung führen, dass es besser wäre, nicht mehr zu leben.

Keine Erklärung für psychischen Schmerz

Laut WHO (Weltgesundheitsorganisation) leidet jeder fünfte Mensch im Laufe seines Lebens zumindest einmal an einer klinisch schweren Depression. Eine akute Suizidgefährdung besteht aber nur für einen geringen Prozentsatz der Betroffenen. "Dazu kommt es, wenn die Situation immer enger erlebt wird und der damit verbundene psychisch erlebte Schmerz so unerträglich wird, dass der Gedanke kommt: Ich könnte mir das Leben nehmen, denn egal was nachher kommt, es kann nur besser sein als der jetzige Zustand", so der Arzt.

Hinzu kommt, dass es für diesen starken Schmerz keine Erklärung gibt, er kommt aus heiterem Himmel und macht die Betroffenen völlig ratlos. "Dass man keine Begründung für sein Leiden findet, macht die Situation ausweglos", erklärt Fartacek. Dass ein Suizid endgültig ist, ist vielen jedoch nicht klar. Sie möchten häufig aus einer aktuell als unerträglich wahrgenommenen Situation flüchten. "Das Tragische ist, dass man in dieser Situation nicht sehen kann, dass die Probleme vorübergehend sind, wieder vergehen."

Mit Lebenskrise gekuppelt

Manchmal tritt eine Depression im Rahmen einer Lebenskrise auf. Jeder Mensch durchlebt im Laufe seines Lebens Krisen, etwa durch den Tod von wichtigen Personen oder andere Verlusterlebnisse. In der Regel können solche schwierige Phasen ohne professionelle Hilfe durchgestanden werden, selbst ein Ausweg oder Neubeginn gefunden werden. Hat ein Mensch aber die Disposition, depressiv zu reagieren oder Alkohol oder Drogen schädlich zu gebrauchen, kann es im Laufe von Krisen zu psychischen oder auch körperlichen Erkrankungen kommen, welche wiederum zu Suizidgedanken führen können.

Depressive ziehen sich zurück

Aus welchen Gründen auch immer ein Mensch depressiv ist: Für eine mögliche Suizidgefährdung gibt es Anzeichen, die vom unmittelbaren Umfeld wahrgenommen werden können. Dazu gehört das plötzliche völlige Abschotten von der Außenwelt. "Es kann ein Warnsignal sein, wenn sich ein Mensch, der immer mitten im Leben gestanden hat, Humor zeigte, sich am sozialen Leben beteiligte, plötzlich völlig zurückzieht, nicht reagiert, auch wenn aktiv Kontakt aufgenommen wird", weiß Fartacek. Sehr häufig kommt es auch zu Schlafstörungen in Verbindung mit depressivem Erleben wie quälender innerer Unruhe. Während bei betroffenen Frauen eine depressive Verstimmung meist gut erkennbar ist, zeigen sich Männer nicht selten gereizt, unruhig oder abweisend.

Stationäre Behandlung

Beim Erkennen einer Depression oder anderen psychischen Erkrankungen kommt dem Hausarzt oft eine Schlüsselposition zu. Er gilt als wesentlicher Vermittler zu fachärztlicher und psychotherapeutischer Hilfe. Ein großer Teil von Depressionen lässt sich ambulant durch Medikamente und Besuche bei Facharzt und Psychotherapeut behandeln. Im Falle schwerer Depressionen besteht die Möglichkeit einer stationären Behandlung. "Das betrifft vor allem Menschen die die Fähigkeit verloren haben einen normalen Alltag zu meistern oder in einer sehr schweren Lebenskrise stecken", so Fartacek.

Hilfe für depressive Menschen

Die stationäre Behandlung an der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg verfügt sowohl über Betten als auch über Tagesklinikplätze. Ein Aufenthalt dauert im Schnitt zwei bis drei Wochen, die Therapiemethode ist in beiden Fällen nahezu dieselbe: Ein Behandlungsteam aus Arzt, Psychotherapeut und Pfleger kümmert sich um den Patienten, neben täglichen Einzelgesprächen gibt es Gruppentherapien und genaue körperliche und psychische Untersuchungen.

Während dieser relativ kurzen Zeit gelte es, sehr strukturiert zu arbeiten und einen genau geplanten Ablauf einzuhalten, was nur in Zusammenarbeit mit dem Patienten funktioniere, erklärt Fartacek. "Letztlich ist unser Ziel, dass ein Patient beim Verlassen der Station ein Gefühl dafür hat, wie die Depression bei ihm entstanden ist, was es mit dieser Erkrankung auf sich hat, wie die Behandlung weitergeht und was es braucht, um wieder stabil zu werden."

Quelle: Maria Kapeller, derStandard.at, 18.1.2011

Sonntag, 16. Januar 2011

Zehn Dinge, die Chefs nie sagen würden ...

Natürlich wird das nicht offen ausgesprochen. Darf man ja gar nicht. Aber möglicherweise gedacht und danach gehandelt

Catey Hill hat für "SmartMoney" zehn Dinge zusammengestellt, die Chefs nie offen sagen würden.

1.) Ja sicher, wir lesen Ihre E-Mails.

Der Markt für E-Mail-Überwachungssoftware ist in den vergangenen Jahren um jeweils 25 Prozent gewachsen, sagt der IT-Marktbeobachter Gartner. Eine von drei großen US-Firmen beschäftigt eigene Leute fürs Lesen und Analysieren der Mitarbeiter-Mails, sagt Proofpoint, ein Unternehmen, das E-Mail-Überwachung offeriert. Plus: Die American Management Association erhob, dass die Hälfte aller Firmen Telefon und Internet monitoren.

2.) Sie sind dafür zu alt.

Die Arbeitslosigkeit der 50+ in Österreich steigt. Die Bereitschaft, Ältere zu heuern, ist während der Rezession stark zurückgegangen. Die Erfahrung machen derzeit viele: Mit 45+ perfekte Entsprechung zum ausgeschriebenen Jobprofil, beworben - und nie wieder etwas gehört, dafür diesselbe Stellenausschreibung wieder entdeckt.

3.) Ich weiß, wann Sie krankfeiern.

Ein Zeichen rauer Zeiten: Immer mehr Unternehmen heuern private Detektive, die sich auf die Spuren krankgemeldeter Arbeitnehmer machen. Einer von vier Arbeitgebern sagte schon 2009 in einer Umfrage von CareerBuilder.com, dass sie immer mehr krankheitsbedingte Abwesenheiten als vorgetäuschte Krankheiten betrachten.

4.) Ihre Kinder? Die sind Ihr Problem.

Frauen-Abschlag beim Einkommen ist in Österreich bestens bekannt, dass Kinder kein Karriereturbo sind, ist belegt. Wie Eltern mit Schulferien und Job zurechtkommen, ist deren privates Problem. Harvard-Professorin Claudia Goldin hat in einer aktuellen Studie nachgewiesen, dass Frauen in den USA mit MBA, die eineinhalb Jahre bei ihrem Kind bleiben, hernach 41 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen.

5.) Ich bin dein bester Freund ...

6.) ... und dein schlimmster Feind.

Der Grat ist schmal: Auch beim allerinnigsten Einvernehmen kann der beste Freund noch immer feuern, zumindest die Information auf Freundschaftsebene beruflich nützen. Und: Dieser beste Freund kann das Jobleben am besten zur Hölle machen. "Bullying" ist der Terminus dafür.

7.) Ich befördere nicht aufgrund von Leistung.

Klar: Leistung, Können - vielleicht noch Seniorität sollten die Argumente sein. Tatsächlich geht es oft um anderes - auch um Sympathie . .. Menschen, die sich nur schwer führen lassen und gänzlich anders "ticken" als ihr Boss, tun sich erfahrungsgemäß mit Hinweis auf ihre Performance zwecks Beförderung schwer.

8.) Ich bin oberflächlich.

Was schön ist, ist gut. Dem können sich die meisten Chefs nicht entziehen. Die Karrierenforschung hat vielfach belegt: Große, gutaussehende Menschen verdienen mehr und steigen schneller auf als kleine Dicke. Dazu erhalten sie mehr Sympathie, es wird ihnen mehr zugetraut, sie haben mehr Spielraum.

9.) Ich hab verdammt noch mal keine Zeit für Sie.

In allen Studien sagen rund zwei Drittel der Belegschaften, dass ihre Chefs zu wenig mit ihnen reden, sich zu wenig Zeit nehmen. Diese Werte sind seit Beginn der Wirtschaftskrise weiter gestiegen.

10.) Es geht hier ausschließlich um mich.

Tolles Projekt endlich fertig - und der Chef kassiert die Lorbeeren? In Studien ging es jedem Zweiten bereits so. Einer Umfrage des US-Dienstleisters Spherion Staffing zufolge berichtet aktuell sogar ein Drittel der Arbeitnehmer, dass ihr Chef sie in Krisensituationen geopfert habe, um selbst zu überleben.

(Karin Bauer/DER STANDARD; Printausgabe, 15./16.1.2011)

Samstag, 15. Januar 2011

Arbeitslosengeld per Mausklick - eAMS

Registrierung Zugangsdaten (Benutzername, Passwort) können bei einer AMS-Geschäftsstelle telefonisch oder per eMail angefordert werden. Die Zustellung erfolgt dann mittels eingeschriebenem Brief. Wer bereits bei FinanzOnline registriert ist, kann sich auch dort für ein eAMS-Konto anmelden.

Services Arbeitslosengeld online beantragen, Termine mit Berater vereinbaren, AMS-Beihilfen und Förderungen beantragen, Bestätigungen erstellen, Stelleninserate gestalten, freie Stellen finden. Unternehmen können mit ihrem eAMS-Konto Stellenprofile ins Internet stellen oder Förderungen beantragen.

Dienstag, 11. Januar 2011

Multitasking: Frauen nicht besser als Männer

Geschlecht spielt beim Multitasken keine Rolle

Eine Studie widerlegt die These, Frauen könnten besser als Männer verschiedene Dinge gleichzeitig erledigen. Wer Multitasking betreibt, riskiert schlechtere Leistungen, erhöhte Anspannung und steigert das Unfallrisiko - das Geschlecht spielt dabei keine Rolle. Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie des deutschen Instituts für Arbeit und Gesundheit.

An der Studie, die von der gesetzlichen Unfallversicherung in Auftrag gegeben wurde, nahmen 32 männliche und ebenso viele weibliche Personen im Alter von 21 bis 60 Jahren teil. Sie sollten bei einer Fahrsimulation bei Signalen die Spur wechseln. Zudem wurde eine Bürotätigkeit nachgestellt. Die Probanden sollten per Knopfdruck entscheiden, ob Wörter, die sie auf dem Bildschirm sahen, Rechtschreibfehler enthielten oder nicht.

Beide Aufgaben wurden zunächst ohne, dann mit einer Zusatzaufgabe erledigt. Bei der Fahraufgabe sollten die Versuchspersonen etwa eine Telefonnummer ins Mobiltelefon tippen oder eine Wegbeschreibung vorlesen.
Leistung lässt nach, Anspannung steigt

Dabei zeigte sich, dass die Fahrleistung unter Multitaskingbedingungen schlechter wurde. Männer und Frauen waren angespannter, und ihr Herz schlug schneller. Bei der Büroaufgabe zeigte sich ebenfalls eine Leistungsverschlechterung, sobald eine weitere Aufgabe parallel bewältigt werden musste. Auch hier fühlten sich die Probanden angespannter.

Quelle: orf.at

Multitasking: Die Lüge vom schnellen Arbeiten

Zeitmanagement ausschlaggebend

Telefonieren, tippen und gleichzeitig aus einem Papierstapel ein Dokument heraussuchen: Wer glaubt, seine Bürotätigkeiten schneller erledigen zu können, wenn er versucht, mehrere Dinge gleichzeitig zu machen, irrt sich. Multitasking reduziert die Arbeitsleitung und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man für die Aufgaben länger braucht und dass dadurch die Rückstände explodieren.

Eine Studie von zwei italienischen und einem amerikanischen Wissenschaftler zeigt, dass es wenig Sinn hat, im Büro Tätigkeiten parallel zu erledigen. Die Studie untersuchte die Arbeitsleistung von über 30 italienischen Richtern, die im Laufe mehrerer Jahre mehr als 38.000 Fälle abgearbeitet haben. Unterteilt in Quartale, errechneten die Autoren, wie lange die Richter durchschnittlich brauchten, um einen Prozess abzuschließen und von welchen Faktoren die Dauer abhängt.

Die Studie zeigt, dass die individuelle Arbeitsgeschwindigkeit nicht nur vom Aufwand, den persönlichen Fähigkeiten und Erfahrungen abhängt. Vielmehr ist das Zeitmanagement der Person ein wesentlicher Faktor, der die Dauer von Arbeitsleistungen beeinflusst.
Überforderung droht

Die Arbeit jener Richter, die Fälle möglichst nacheinander abwickelten und versuchten, Prozesse abzuschließen, bevor sie sich einem neuen widmeten, erwies sich deutlich effektiver als die Tätigkeit jener, die an vielen Fällen gleichzeitig arbeiteten. Jene, die parallel an mehreren Fällen arbeiteten, schienen, so die Studie, überfordert zu sein, worunter ihre Arbeitsleistung litt.

Der Performanceunterschied der einzelnen Richter war laut Studienautoren beachtlich und kann nicht lediglich auf Erfahrungen, Fähigkeiten und Aufwand zurückgeführt werden. Jene, die versuchten, nur wenige Prozesse offenzuhalten und mit der Eröffnung eines Prozesses warteten, bis der vorherige abgeschlossen war, erledigten mehr Fälle in der gleichen Zeiteinheit als andere.
Weniger Rückstände am Quartalsende

Damit halten sie ihren Arbeitsrückstand klein, auch, wenn sie die gleiche Menge an Arbeiten erhalten wie ihre Kollegen, die zur selben Zeit mehrere Fälle behandeln. Überdies profitieren die neu begonnenen Tätigkeiten offenbar auch gar nicht davon, dass sie früher in Angriff genommen wurden. Denn effektiv müssen sie dennoch darauf warten, bis die anderen Aufgaben erledigt wurden.

Bessere Qualität durch sequenzielles Arbeiten

Die Studie belegte auch, dass die Qualität der Arbeit jener Richter, die schneller waren, nicht schlechter war als jene der langsamen Richter. Im Gegenteil - anhand der Zahl von Berufungen zeigte sich, dass jene Richter, die Fälle schneller abschlossen, in vielen Fällen offenbar auch bessere Entscheidungen getroffen hatten.

Die Studie versuchte auch herauszufinden, warum manche Richter Multitasking bevorzugten. Ein wichtiger Faktor dabei scheint der Druck von Lobbyingparteien zu sein, die versuchen, Prozesse voranzutreiben. Dadurch würden die Richter die Anzahl der Fälle weiter erhöhen, was die Fertigstellung aller Fälle verzögere. Obwohl es hier um eine spezielle Berufsgruppe gehe, gelten die Ergebnisse auch für andere Systeme, in denen Angestellte mit unterschiedlichen Interessensgruppen zusammenarbeiteten, sind die Wissenschaftler überzeugt.

Quelle: orf.at

Montag, 10. Januar 2011

Sarrazins Thesen auf dem Prüfstand

Muslime, die die Integration verweigern, Parallelgesellschaften bilden und ihre Bildungsunwilligkeit "vererben" - Aussagen wie diese stehen im Mittelpunkt des Buchs "Deutschland schafft sich ab" von Thilo Sarrazin, das 2010 hohe Wellen geschlagen hat. Berliner Forscher überprüften nun Sarrazins Thesen anhand statistischer Erhebungen und schätzen sie als nicht haltbar ein.

Kategorie: Integrationsdebatte Erstellt am 10.01.2011.

Wurde der einstige Berliner Finanzsenator und Ex-Bundesbankvorstand für seine Aussagen kritisiert, verwies er immer wieder auf die in seinem Buch dargestellten "statistischen Fakten " und den Umstand, dass sie bisher nicht entkräftet worden seien. Dem stellen Naika Foroutan und ihre Kollegen von der Humboldt-Universität Berlin nun Statistiken gegenüber, die sie dem Mikrozensus 2008 und 2009 und 20 Studien deutscher Forschungseinrichtungen zu Muslimen in Deutschland entnahmen. Die Politikwissenschaftler gingen insbesondere auf das Kapitel "Zuwanderung und Integration" in Thilo Sarrazins Buch ein, aber auch auf Äußerungen in Interviews.

Die 70-seitige Analyse "Sarrazins Thesen auf dem Prüfstand" steht auf der Website des Forschungsprojekts "Hybride europäisch-muslimische Identitätsmodelle(HEyMAT)" zum Download bereit.
Thesen mit großer Wirkung

"Besorgniserregend ist, dass die Probleme der muslimischen Migranten auch bei der zweiten und dritten Generation auftreten, sich also quasi vererben, wie der Vergleich der Bildungsabschlüsse zeigt." Es sind Aussagen wie diese, die die Wogen hoch und Sarrazins Buch allein in Deutschland 1,2 Millionen Mal über den Ladentisch gehen ließen. Auch in Österreich blieben die Äußerungen nicht ohne Folge, tauchten sie doch nicht zuletzt auch im Wahlkampf um den Wiener Landtag immer wieder auf.

Und es sind Aussagen wie diese, die die Forscher in ihrem Dossier herausgreifen und statistischen Erhebungen gegenüber stellen. Die Ergebnisse scheinen eindeutig: Die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge herausgegebene Studie über "Muslimisches Leben in Deutschland" stellt fest, dass - egal aus welchem Land die Eltern kommen - ein Bildungsaufstieg bei der zweiten Generation deutlich erkennbar sei.
Beste Schule für die Kinder

Filtert man nochmals die Türken heraus, die Sarrazin als besonders bildungsunwillig beschreibt, zeigt sich, dass 22,4 Prozent der türkischstämmigen, zwischen 20- und 25-jährigen Deutschen über eine Matura verfügen - während nur vier Prozent der Elterngeneration diesen Schulabschluss vorweisen konnten. Türkische Eltern zeigen sich laut dieser Analyse überdurchschnittlich ehrgeizig, was die Ausbildung ihrer Kinder betrifft: So wünschen sich 80 Prozent, dass ihr Nachwuchs das Abitur macht, während das nur 74 Prozent der deutschen Eltern wichtig ist.

Zwar räumen die Forscher ein, dass sich der Anstieg auch durch das geringe Bildungsniveau der Elterngeneration ergebe, letztlich gehe es aber um die Entwicklung. Und dass es über den Generationenverlauf keine positive Entwicklung gebe, lasse sich statistisch nicht untermauern, heißt es in der Analyse.
Sprache, Kopftuch, Abschottung

"Auch der Umstand, dass sich die Türken und die Araber zu großen Teilen kaum Mühe geben, Deutsch zu lernen, ist ein Ausdruck fehlenden Interesses an der Mehrheitskultur und mangelnder Bildungsbereitschaft", sagt Thilo Sarrazin in einem Interview mit der "Zeit", in seinem Buch äußert er sich ähnlich. Auch diese These glauben die Forscher um Naika Foroutan widerlegen zu können: So stellte das konservative Institut für Demoskopie Allensbach fest, dass "70 Prozent der türkischstämmigen gute bzw. sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache" vorweisen - laut Einschätzung der Interviewer.

Hinsichtlich eines der prägnantesten Symbole des Islams, dem Kopftuch, meinen die Politikwissenschaftler, dass Sarrazin schlicht schlampig gearbeitet habe: Er behauptet in seinem Buch, dass der Anteil an Kopftuch tragenden Frauen unter den Jungen zunehme, dabei habe er seine Quelle, den Religionsmonitor 2008 der Bertelsmann Stiftung, falsch gelesen, so die Forscher. Denn dort wurde nicht abgefragt, wer tatsächlich Kopftuch trägt, sondern nur, ob eine Frau ein Kopftuch tragen sollte. Tatsächlich nehme der Anteil an den Kopf bedeckenden Frauen ab, je jünger die Befragten werden.

Und auch bei der Abschottung von ihrer deutschen Umwelt liegt Sarrazin laut Analyse falsch. Denn laut Befragungen haben mehr als drei Viertel der Interviewten häufig Freundschafts- oder Nachbarschaftskontakte mit Deutschen, Türken wünschen sich am häufigsten deutsche Nachbarn.

Eigenes Bild machen

Die Wissenschaftler belegen ihre Gegenargumente penibel mit Quellen, zahlreiche Abbildungen sollten es dem Leser erleichtern, sich selbst ein Bild zu machen. Letztlich legen sie Wert darauf, dass sie nicht bestehende Probleme der Integration beschönigen, sondern positiven Entwicklungen mehr Öffentlichkeit verschaffen wollen - und da gehöre die Auseinandersetzung mit den polarisierenden Thesen Thilo Sarrazins eben dazu.

Elke Ziegler, science.ORF.at

Samstag, 8. Januar 2011

Weisheiten

Lebensphilosophien / Weisheiten

» Lebensphilosophien aus
aller Welt

» Buddhas Weisheiten

» Konfuzius' Weisheiten

» Volksweisheiten

» Lustige Lebensweisheiten

» Top 10 Lebensphilosophien

» Die großen Lebens-
philosophen

Auffallend glückliche Menschen...

...hadern nicht mit ihrem Schicksal
und machen ihr Glück auch nicht davon abhängig, ob sie ein bestimmtes Ziel erreichen oder nicht. Sie sind in der Lage, die Überraschungen des Lebens anzunehmen und wissen, dass sich das Leben ohnehin nicht exakt kalkulieren lässt. Dazu meint Professor Martin Seligman von der Universität von Pennsylvania: »Glückliche Menschen haben genauso viel Pech wie andere, sie gehen nur anders damit um. Sie fragen beispielsweise nicht »Warum passiert mir das?«, sondern »Wozu ist das gut?« Das gilt selbst bei tragischen Ereignissen. Kevin Smith, Professor am New England Research Institute, befragte Menschen, deren Leben sich durch einen schweren Unfall oder eine Krankheit komplett verändert hatte. Das Ergebnis war verblüffend: Alle Befragten erklärten, dass sie durch diese Erfahrung sogar an Glück, Liebesfähigkeit und innerem Frieden dazugewonnen hatten. Die Erklärung der Forscher: »Wer aus seinem gewohnten Leben herausgerissen wird, kann seine bisherigen Gewohnheiten nicht mehr aufrechterhalten und muss umdenken. Dazu gehört auch, das Glück nicht mehr im Außen zu suchen, sondern in sich selbst zu finden.«

...leben in der Gegenwart
und sind in der Lage, ihre Aufmerksamkeit weitgehend von Vergangenheit und Zukunft zu lösen und sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Sie sind präsent im Hier und Jetzt, grübeln weniger über Vergangenes nach und machen sich weniger Sorgen über das, was kommen mag. Das Eintauchen in die Gegenwart gelingt laut Prof. Mihaly Csikszentmihalyi vor allem durch Konzentration: »Wer in dem aufgeht, was er gerade tut, bewegt sich in einer Sphäre der Zeitlosigkeit.« Glückliche Menschen erleben solche zeitlosen Momente häufiger und können sie auch bewusst herbeiführen. »Diese Fähigkeit lässt sich trainieren«, so meint Jean Claude Kaufmann, Soziologie-Professor an der Pariser Sorbonne: »Indem wir bewusst versuchen, das zu lieben, was gerade ist, wo wir gerade sind und was wir gerade tun.«

...führen ein einfaches Leben
und umgekehrt: Menschen, die ihr Leben vereinfachen, werden glücklicher. Damit ist nicht gemeint, ein Leben in Askese führen zu müssen. Entscheidend ist, sich immer mehr von überflüssigem Ballast zu befreien. Professor Robert Frank von der Cornell Universität in New York führte dazu ein Experiment mit mehreren tausend Menschen durch. Schritt für Schritt vereinfachten diese ihr Leben, indem sie Wohnung, Keller oder Dachboden entrümpelten, ihr Papierchaos ordneten, ihre finanziellen Probleme regelten, aufgeschobene Projekte beendeten und sich auch von unglücklichen Beziehungen trennten. Bereits nach wenigen Wochen verspürten die Studienteilnehmer mehr Leichtigkeit, und nach einem Jahr bestätigten fast alle, dass sie kein Verlangen mehr haben, immer mehr Besitz anzuhäufen und sich dadurch wesentlich freier fühlen.

...reduzieren ihren Medienkonsum
Jeff Davidson, Psychologie-Professor an der Cornell University New York, der die Vereinfachungs-Studie von Professor Frank begleitete, fand heraus: Menschen, die nur noch selten oder gar keine Fernsehnachrichten mehr sehen, spürten schon nach kurzer Zeit deutlich mehr Lebensfreude. Dazu sagt der Forscher: »Das gebündelte Unglück, das dem Zuschauer in den Nachrichten präsentiert wird und an dem er selbst nichts ändern kann, verstärkt zunehmend das Gefühl, in einer feindlichen Welt zu leben, der er hilflos ausgeliefert ist.« Dass zu viel TV-Konsum generell das Wohlbefinden negativ beeinflusst, haben auch andere Studien ergeben. Wer täglich mehrere Stunden vor dem Fernseher sitzt, wird träge und lustlos.

...gehen Risiken ein und stellen sich Problemen
Prof. Martin Seligman von der Universität von Pennsylvania fand in Studien heraus, dass glückliche Menschen immer wieder die so gennante Komfortzone des Lebens verlassen: »Wachstum zum Glück findet außerhalb der Komfortzone statt. Wer nie Risiken eingeht und nie scheitert, entwickelt sich nicht und erfährt auch nie seine eigene Stärke.« Das bestätigt auch der Hirnforscher Gerald Hüther: »Wer es schafft, eigene Unsicherheiten oder Ängste zu überwinden und ein Problem selbst zu bewältigen, empfindet dadurch Freude.«

...treffen Entscheidungen schneller
und gehen lieber das Risiko falscher Entscheidungen ein, anstatt sie hinauszuzögern und aufzuschieben. Sie erledigen das, was ansteht, statt es anzuhäufen. Dazu meint Professor Ed Diener von der Universität von Illinois: »Wer aufräumt und Liegengebliebenes anpackt, fühlt sich nicht als Opfer von Umständen, sondern als Gestalter – und das ist eine wesentliche Voraussetzung für Glück.«

...pflegen Freundschaften
von sich aus und tun dies auch regelmäßig. Studien haben ergeben, dass gute Beziehungen zu anderen Menschen das Glücksempfinden in hohem Maße stärken. Dabei kommt es jedoch nicht darauf an, möglichst viele Menschen zu kennen, sondern vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen.

...gehen einer erfüllenden Tätigkeit nach
bei der sie ihre Fähigkeiten und Talente ganz einbringen können. Konzentrierte und erfüllende Arbeit mobilisiert das körpereigene Glückshormon Serotonin – was auch bei jeder anderen Tätigkeit passiert, die wir mit Hingabe ausüben.
Professor Mihaly Csikszentmihalyi von der Universität Chicago, der seit über 30 Jahren in der Glücksforschung arbeitet, hat dafür den Begriff Flow definiert. Flow beschreibt einen Zustand, in dem unser Fühlen, Wollen und Denken in vollkommener Übereinstimmung sind. Wir vergessen Zeit und Raum, sogar uns selbst, und das Handeln geht mühelos vonstatten. Solche Flow-Zustände können bei allen Tätigkeiten entstehen: bei der Arbeit, beim Ausüben eines Hobbies, beim Sport, bei Unternehmungen mit Freunden und sogar bei der Hausarbeit.

...tun sich ich selbst Gutes
und nehmen sich auch regelmäßig die Zeit dafür. Das müssen keine großen Unternehmungen sein. Auch »Kleinigkeiten« wie Musik zu hören, ein Buch zu lesen, zu meditieren, sich massieren zu lassen, ein heißes Bad zu nehmen, gehören dazu. Professor Ed Diener von der Universität von Illinois sagt: »Jeder Mensch sollte sich eine Liste anlegen mit allem, was ihm gut tut, damit er sich dann, wenn die Gedanken einmal im Düsteren kreisen, selbst motivieren kann.«

...sind dankbar
»Dankbarkeit ist der schnellste Weg zum Glück«, so die Erkenntnis des Psychologie-Professors Barry Neil Kaufmann aus Massachussetts, die von zahlreichen Untersuchungen über glückliche Menschen bestätigt wird. Menschen, die das Schöne in ihrem Leben bewusst wahrnehmen und wertschätzen, erkennen die ganze Fülle des Lebens (und nicht nur jenen Teilausschnitt, der unerfreulich ist). Dadurch empfinden sie das Leben auch insgesamt als schöner. Die Tiefenpsychologin Dr. Elisabeth Mardorf empfiehlt deshalb, ein Dankbarkeits-Tagebuch zu führen. Denn: »Sich schriftlich aufzuzählen, was im Leben gut ist, verändert innerhalb weniger Wochen die gesamte Wahrnehmung. Ganz von selbst entdecken wir immer mehr Dinge, die uns glücklich machen.«

...haben eine Lebensvision
und wissen, wofür sie leben. Dazu meint Professor Ed Diener: »Glückliche Menschen setzen sich selbst immer wieder langfristige Ziele, die sich in kleinen Schritten erreichen lassen. Oft überschätzen wir, was sich kurzfristig erreichen lässt, und unterschätzen, was auf lange Sicht möglich ist.« Wichtig ist jedoch, sich nicht an seine Ziele zu klammern, sondern offen zu bleiben für neue Möglichkeiten. Und vor allem: nicht erst beim Erreichen des Ziels glücklich sein zu wollen, sondern bereits auf dem Weg dahin.

Samstag, 1. Januar 2011

Schwarze Weihnachten

In einem Wiener Lokal soll es am Heiligen Abend zu schweren Polizeiübergriffen gegen afrikanische Gäste gekommen sein.
Von Emil Bobi

Johann Golob, Sprecher der Wiener Polizei, will das Wort vom „Neger umhacken" noch nie gehört haben – unter den Ordnungshütern der Bundeshauptstadt soll es zum Jargon gehören. Und scheint für eine Minderheit unter Wiens Polizisten gängige Praxis zu sein. „Gemma Neger umhacken" soll bedeuten, Schwarzafrikaner zu kontrollieren – und alles, was damit verbunden sein mag. In der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember ist es im fast ausschließlich von Afrikanern frequentierten Tanz-Café „Congo" in Wien-Ottakring jedenfalls heiß hergegangen. Die Blaulichter von acht Einsatzwagen blitzten während einer Razzia vor dem Haus Pfenniggeldgasse 19. Gäste sagen, sie hätten die Winterjacken nicht mitnehmen dürfen und seien gegen die Wagen gestoßen worden. Drinnen im „Congo" gab es zumindest drei Verletzte. Von den Polizisten soll sich ein auffallend junger Beamter besonders hervorgetan haben: Weihnachten feiern sei nichts für Schwarze, österreichische Gesetze würden „Negern" verbieten, sich in österreichischen Lokalen aufzuhalten.

Das erklären Betroffene mündlich und schriftlich gegenüber profil. Manche der ­Afrikaner haben mit ihren Mobiltelefonen Ton- und Bildaufnahmen von dem Vorfall gemacht. Johann Golob von der Wiener Polizei erklärt, die Afrikaner hätten sich bei einer ganz normalen Ausweiskontrolle nicht kooperativ, stattdessen überaus aggressiv gezeigt. Das sei jedenfalls das Bild, das die beim Einsatz gewesenen Beamten abgeliefert hätten. Golob räumt ein, nichts von den angeblichen Übergriffen erfahren zu haben – und kündigt interne Untersuchungen an.

Das Handy von Stevenson Anthony Maw, Rechtsanwalt und „Präsident der afrikanischen Minderheit in Österreich", klingelte am 25. Dezember gegen zwei Uhr Früh. Maw vernahm Tumulte und die Stimme von James Erebuoye, der um dringende Hilfe bat. Es sei auf ihn eingeschlagen worden. Sofort bestieg Maw mit seiner Sekretärin ein Taxi und ließ sich zum „Congo" bringen. Dort wurde James Erebuoye eben abgeführt und laut Augenzeugen in ein Einsatzfahrzeug gestoßen.

Als zunächst drei Polizisten das „Congo" betreten hatten, habe Erebuoye nach eigener Darstellung versucht, als Vermittler aufzutreten. Der Polizist habe sehr aggressiv gewirkt, soll „alle raus" geschrien und den Gästen weder erlaubt haben, ihre Jacken von der Garderobe zu holen, noch ihre Rechnungen zu begleichen. Stattdessen habe er sofort Verstärkung angefordert. Von den rund 60 Gästen seien etwa 15 „Mutige" geblieben. Der Polizist habe gemeint, Weihnachten zu feiern sei nur etwas für Österreicher. Erebuoye gegenüber profil: „Weil ich versucht hatte, in ein normales Gespräch mit den Polizisten zu kommen, wollten sie sofort meinen Ausweis und sagten, ich sei ­illegal hier. Ich entgegnete, ganz legal in ­Österreich und seit sechs Jahren mit einer Ministerialbeamtin verheiratet zu sein. Pssst, sagte der Polizist darauf, dein Asyl ist ab­gelaufen." Dann hätte einer der Beamten Erebuoye die Zigarette aus der Hand geschlagen und ihn selbst gegen die Wand geschleudert. Man befinde sich hier in Österreich, habe der Uniformierte aufgeklärt, nicht in Afrika. „Ich habe gewagt zu fragen, wer das Benzin für die Einsatzfahrzeuge bezahle. Da haben sie angefangen, auf mich einzuschlagen. Ich habe Verletzungen an der rechten Hand und am rechten Bein", so Erebuoye.

Gehirnerschütterung. Viele der betroffenen Afrikaner haben ihre Wahrnehmungen schriftlich festgehalten, weil umfangreiche rechtliche Schritte geplant werden. Alle Stellungnahmen liegen profil vor. Einige Auszüge:

Isaak Lazarus: „Die Polizisten sagten, Schwarze hätten kein Recht, Weihnachten zu feiern, und österreichische Gesetze würden es Schwarzen verbieten, sich in Lokalen in Österreich aufzuhalten … Sie haben James geschlagen und gegen die Wand geschleudert … Sie haben gesagt, niemand soll die Autokennzeichen der Einsatzwägen notieren oder mit dem Handy Aufnahmen machen, das ergebe große Probleme …"

Augustine Oparaochaekwe: „Die Beamten haben gesagt, nur Österreicher dürften Weihnachten feiern … Sie sagten, James sei illegal hier, und fingen an, ihn zu schlagen und ihn aus dem Café zu drängen … Als ich das mit dem Handy fotografieren wollte, stieß mich eine Polizistin zur Seite und meinte, ich dürfe keine Aufnahmen machen."

Frederik Udeh Jacobs: „Der Polizist, der an der Tür stand, drängte mich ins Freie und stieß meinen Kopf und meine Brust gegen das Polizeiauto. Stellen Sie sich vor, wie schlimm es ist, von einem so jungen Polizisten, der angeblich Polizeiarbeit leistet, wie ein Stück Holz gegen das Auto geschleudert zu werden. Heißt das, dass die Polizei keinen Respekt vor älteren Personen hat?"

Andy Edward Nwangwu: „Ich habe versucht, die Vorfälle auf Video aufzunehmen. Da stießen mich die Polizisten gegen die Wand. Dabei fiel ich zu Boden und verletzte mich am rechten Bein."

Gegen drei Uhr Früh sei der Einsatz beendet, Erebuoye abgeführt und später wieder freigelassen worden. Drei Personen ließen sich nach den Vorfällen im Lorenz-Böhler-Krankenhaus versorgen. Bei einem sei eine Gehirnerschütterung, bei zwei weiteren Verletzungen an Knie, Rücken, Beinen und Hand festgestellt worden. Dann habe man versucht, eine Anzeige bei der Bundespolizeidirektion am Wiener Schottenring einzubringen, sei aber nicht vorgelassen worden.

Polizeisprecher Johann Golob schildert die Vorfälle ganz anders: Nach Anrainer­beschwerden wegen Lärmbelästigung habe der Magistrat die Polizei ersucht, das Einhalten der Sperrstunde um zwei Uhr im „Congo" zu überprüfen. Zunächst sei ein Einsatzwagen hingefahren. Doch die Afrikaner im Lokal hätten keinerlei Kooperationsbereitschaft gezeigt und gemeint, das sei ihnen egal. Golob: „Die haben sich aufgeführt und aufgeregt, dass die Polizei kommt. Da haben die Beamten zusätzliche Kräfte angefordert, um die Leute zu bewegen, das Lokal zu verlassen." Eine Person habe sich dabei „besonders aufgeführt". Der sei dann auf seinen „fremdenpolizeilichen Status" überprüft worden. Golob räumt auch „eine Anwendung maßhaltender Körperkraft" ein, die nötig gewesen sei. Gegen wie viele Personen „Körperkraft" eingesetzt worden sei, sagt er nicht. Jedenfalls gebe es Anzeigen gegen die betroffenen Afrikaner wegen Sperrstundenüberschreitung, Lärmerregung und aggressiven Verhaltens. Golob räumt aber auch ein: „Über die angeblichen Übergriffe geht aus dem Akt nichts hervor. Die Polizei ersucht um genaue Darstellung der Vorkommnisse, denn wir werden alles untersuchen. Ein derartiges Verhalten ist nicht im Interesse der Polizei."

Auch manche der betroffenen Afrikaner bereiten rechtliche Schritte vor. „In Österreich werden alle, auch die ehrwürdigen ­Afrikaner, mit Drogendealern in einen Topf geworfen", konstatiert James Erebuoye. „Täglich wird geschlagen, diskriminiert, beschimpft. Afrikaner werden von der Polizei gezwungen, sich in der Öffentlichkeit auszuziehen. Und dann sagen sie: Warum hast du einen so großen Schwanz?"

Quelle: profil.at
31.12.2010 14:57